Leserbrief zum Artikel ‚Der Wald kommt unter die Räder‘ vom 13.10.2021
Der ‚Wald kommt unter die Räder‘, die ‚Biker-Szene‘, ‚illegale Bauwerke‘, ‚flitzende Biker‘, die im ‚ultimativen Kick‘ ihr Adrenalin freizusetzen suchen und dabei einer ‚illegalen Praxis‘ nachgehen… Nicht nur in den Ohren unseres Sohnes (13) und seiner gleichaltrigen Mountainbike Freude klingen diese Beschreibungen, als gehörten sie und viele andere Konstanzer Kinder und Jugendliche einer verbrecherischen Gang an, die im Hexenkessel und in den Konstanzer Wäldern ihr gefährliches Unwesen treibt. Man könnte das Bild aber auch so zeichnen: viele Kinder und Jugendliche haben in der Corona-Zeit ihre Leidenschaft für das Mountainbiken entdeckt. Statt stundenlang am Computer zu zocken oder mit Alkopops auf Bänken abzuhängen (was uns Erwachsenen ja auch nicht passt!) sind sie ganze Tage in die Natur eingetaucht, haben Sprünge geübt, neue Techniken ausprobiert und gelernt, sind hingefallen und wieder aufgestanden, haben sich verletzt und dennoch nicht entmutigen lassen, haben aus dem Scheitern gelernt und weitergemacht. Sie haben mit enormer Kreativität, Geduld und Kraft mit bloßen Händen und kleinen Schaufeln Schanzen gebaut, Absprung- und Lande-Winkel berechnet und optimiert, um irgendwann den perfekten Sprung zu landen. Sie haben sich über Räder und Zubehör informiert und das Geld für ihr Traumbike zum Teil selbst erarbeitet und zusammengespart. Beide Bilder beschreiben die gleiche Wirklichkeit und sind offenbar doch, wenn sie allein stehen, unvollständig und einseitig. Wir fragen uns: Warum zeichnen Sie ihn ihrem Artikel ein so verzerrtes Bild? Und warum werden zu einer offiziellen Gemeinderats-Begehung nur die Förster eingeladen? Warum nicht auch die Kinder und Jugendlichen, um sie mit ihrer Stimme, ihrer Begeisterung zu hören und nach ihrer Sichtweise zu fragen? Oder wenigsten Vertreter des neu gegründeten Mountainbike-Clubs, über den ja auch schon berichtet wurde? Zudem werden keine Unterschiede gemacht zwischen jeglichem Wald und dem ‚traditionsreichen‘ Hexenkessel, der seit vielen Jahren intensiv befahren und der nun leider ebenfalls gesperrt ist. Statt die Kinder und Jugendlichen auszusperren, könnten die Betroffenen gemeinsam die leidenschaftliche Energie lenken, voneinander lernen und sinnvoll naturverträglich einsetzen. Während die Erwachsenen (mit dem Auto!) nach Brand, Fiss oder Todtnau zum Biken fahren können, müssen die Kinder und Jugendlichen, die dem wunderbaren Spielplatz der Mainau entwachsen sind, nun warten, wie sich eine Gemeinde entscheidet, die sich für ihre Sichtweise nicht nur nicht zu interessieren scheint, sondern sie in die Ecke Halb-Krimineller stellt. Wäre es nicht viel wertvoller, miteinander darüber zu reden als übereinander?